Wie wir alle wissen, hat die Tauffrage in den vergangenen Jahrhunderten massenhaft Unfrieden und Spaltung in der Gemeinde Jesu hervorgerufen. Dabei sind durchaus beide Seiten aneinander schuldig geworden. In der Geschichte waren es etwa seit den Tagen der Reformation bis in die Gegenwart hinein zunächst vor allem die Großkirchen, welche den „Wiedertäufern“ viel Unrecht und zum Teil Gewalt angetan haben. Manche Empfindlichkeit taufgesinnter Geschwister hat sicher darin eine Ursache. Leider mißbrauchen die Großkirchen bis heute unter anderem die Tauffrage als Instrument, um kirchliche Macht auszuüben. Man muß dabei aber wissen: es geht hier eben nicht um die Taufe, sondern um kirchlichen Machterhalt! Dieser Machtmißbrauch und überhaupt der vielfache kirchliche Mißbrauch der Säuglingstaufe darf aber eine biblische Diskussion zur Taufe nicht bestimmen und fortlaufend überlagern. Er ist leider festzustellen, muß dann aber aus der weiteren Diskussion, wieweit die Säuglingstaufe eine biblisch gültige Taufe sei, ausgeblendet werden.
In der Gegenwart haben wir leider, und das mindestens schon seit Jahrzehnten, aber auch umgekehrte Verletzungen. Geschwister, die ihre Säuglingstaufe als gültige Taufe erachten, erfahren von taufgesinnten Christen häufig deutliche, teils mitleidige, teils herablassende, teils sehr scharfe Geringschätzung und Ablehnung. Wie verbreitet die Sicht heute noch ist, daß „nur“ säuglingsgetaufte Menschen gar keine echten Christen sein können, weiß ich nicht. Aber die Reaktion vieler Taufgesinnter, die ich zum Teil selbst erlebt habe, läßt erkennen, daß sie häufig bestenfalls als Christen zweiter Klasse wahrgenommen und behandelt werden. Ich rede hier definitiv nicht von „Einzelfällen“! Ich vermute, daß alle Leser wissen, daß diese Erscheinung verbreitet, wenn nicht geradezu typisch ist. Daß „nur“ säuglingsgetaufte Geschwister von Taufgesinnten unkompliziert als vollwertige bibeltreue Geschwister geachtet werden, dürfte nach meiner Erfahrung eher die Ausnahme sein! Das macht vielen Christen Not. Denn viele haben in den letzten Jahrzehnten die geistlich im freien Fall befindlichen Großkirchen verlassen. Nun ist aber fast der gesamte freikirchliche Bereich einschließlich der Freien evangelischen Gemeinden mittlerweile taufgesinnt. Um nun in diesen Gemeinden vollwertige Aufnahme zu finden, führt häufig kein Weg an der Glaubenstaufe vorbei. Nicht selten lassen sich Geschwister deshalb auch gegen ihre Überzeugung glaubenstaufen, weil sie sonst keine Chance haben, in der neuen Gemeinde wirkliche Annahme zu finden. Hier müssen sich die Taufgesinnten ernsthaft fragen, ab wann sie ihre Geschwister zur Sünde verführen. Denn was nicht aus Glauben, das heißt auch aus der eigenen Erkenntnis und damit dann auch aus echtem und tatsächlichem Gehorsam!!!, geschieht, ist Sünde (Römer 14,23)!
Darum geht mein Ringen in der Tauffrage. Ich will niemandem meine Sicht aufdrängen. Ich will auch niemandem die Freude an seiner Glaubenstaufe schmälern. Wir praktizieren in unserer Riedlinger Gemeinde bisher ebenfalls ausschließlich die Glaubenstaufe durch Untertauchen. Das entspricht der Erkenntnis und Tradition unserer Gemeinde und ich achte diese Erkenntnis. Wir taufen auf Wunsch auch Geschwister, die als Säuglinge schon getauft wurden. Dieser Wunsch kann entstehen, weil Geschwister ihre Säuglingstaufe als ungültig erachten. Ich sehe das zwar biblisch anders. Achte aber die abweichende Erkenntnis dieser Geschwister, ganz im Sinne dessen, was ich in der Orientierung Nr. 11 „Umgang mit verschiedenen Erkenntnissen in Liebe und Wahrhaftigkeit“ ausgeführt habe (http://www.efk-riedlingen.de/downloads/011%20Umgang%20mit%20verschiedenen%20Erkenntnissen%20in%20Liebe%20und%20Wahrhaftigkeit%20-%20R%C3%B6mer%2014.pdf ). Ich möchte geradezu darum bitten, daß alle, die sich an der Diskussion um die Taufe hier beteiligen wollen, nicht nur meine schon erwähnte Taufschrift Orientierung Nr. 10 zuvor lesen, sondern auch diese Nr. 11! Das sollte eine unnötige und ungeistliche Schärfe aus der Diskussion nehmen. Und es erspart mir, fortlaufend auf das hinzuweisen und zu wiederholen, was ich in diesen Schriften schon differenziert ausgeführt habe.
Der Wunsch nach einer Glaubenstaufe entsteht nach meiner Erfahrung auch nicht selten, obwohl Geschwister ihre Säuglingstaufe als gültig annehmen. Ihnen ist die Glaubenstaufe aber als bewußte Markierung in ihrem Leben wichtig, daß sie nun aus einem geistlich toten oder halblebigen (Schein)Christentum in die echte Jesusnachfolge eintreten wollen. Auch diese Sicht achte ich. Ich selbst und viele andere säuglingsgetaufte Geschwister haben aber keinerlei Verlangen nach einer Glaubenstaufe und sehen auch keinerlei biblische Notwendigkeit dafür. Etliche, die später zum Glauben an Christus gefunden haben, leben nun in der bewußten Annahme dessen, was der Herr ihnen ihrer biblischen Erkenntnis gemäß in der Taufe zugesagt hat. Gerade diejenigen, die, wie ich selbst, von klein auf mit Jesus leben, würden es vielfach geradezu als geistliche Vergewaltigung erachten, wenn sie sich „wiedertaufen“ lassen und ihre Säuglingstaufe ablehnen müssten, in der sie dankbar seit Jahren und Jahrzehnten dem Herrn Jesus nachfolgen.
Ich habe zum Beispiel meine Konfirmation im Alter von knapp 14 Jahren sehr bewußt als öffentliche Bestätigung und öffentliches Zeugnis, daß ich dem Herrn Jesus nachfolgen will, erlebt und begangen. Und genau das ist Konfirmation ihrem Wesen nach ja auch eindeutig. Ich habe als württembergischer Pfarrer und später als Pfarrer der Bekennenden Evangelischen Gemeinde Neuwied meinen Konfirmanden immer die klassische Konfirmationsfrage gestellt, die allein eine Konfirmation zur Konfirmation macht: „Wollt Ihr im Glauben annehmen, was der Herr Euch in der Taufe geschenkt hat, und wollt Ihr als Getaufte zur Gemeinde Jesu und ihrem Herrn gehören? Dann sprecht dazu Euer Ja!“ Darauf antworteten die Konfirmanden: „Ja, Gott helfe uns. Amen.“ Und als Pfarrer ermahnte ich darauf: „Euer Ja werdet Ihr mit Eurem ganzen Leben zu bestätigen haben. Gott helfe euch, allzeit unserem Herrn Jesus Christus ein aufrichtiges Ja zu geben.“ Das ist übrigens der Wortlaut, den die württembergische Konfirmationsagende im Wesentlichen so zumindest zu meiner Dienstzeit noch vorsah! Damit wurde betont: dieses Ja der Konfirmation kann keine Eintagsfliege sein. In der Taufe hat der lebendige Gott seinen Anspruch auf das Leben des Täuflings bekundet und ihm zugesagt, daß ihm das Heil, welches Jesus am Kreuz für uns vollbracht hat, auch ganz persönlich gelten soll. In der Konfirmation bejaht der Konfirmand dies und bekennt öffentlich, daß er dieses Heil für sich persönlich annimmt und sein „ganzes Leben“! dem Herrn Jesus gehören und nach seinem Willen gestaltet werden soll. Allein das ist Konfirmation! Alles andere ist kirchlicher Firlefanz und ungeistlisches Kasperletheater. Aber was sollte nun die Glaubenstaufe einem Leben hinzufügen, das so schon seit Jahren oder Jahrzehnten unter der Gnade Jesu und im Gehorsam des Glaubens geführt wird?
Nochmals: ich will keinen Streit um die Tauffrage! Mein Wunsch und Anliegen ist, daß ein vorurteilsfreies Hören auf die biblischen und geistlichen Gedanken des Anderen stattfindet. Dazu muß man bereit sein, genau hinzuhören und den Anderen ernsthaft verstehen zu wollen und sich auch darauf einzulassen, unter Umständen da oder dort zu einer neuen Erkenntnis zu gelangen. Wer nur seine bisherige Erkenntnis verteidigen will, der sollte diese Diskussion meiden. Denn dann kann nichts als Streit herauskommen!
„Verstehen“ heißt übrigens nicht notwendigerweise „zustimmen“! „Verstehen“ heißt, zu begreifen: Ah! So denkt der! Das ist seine Begründung für seine Sicht.
Dann bin ich selbst zwar gegebenenfalls immer noch anderer Meinung. Aber ich erkenne vielleicht, daß der Andere innerhalb der Logik seines Verständnisses und seiner Gewichtung bestimmter biblischer Aussagen nachvollziehbar zu einer anderen Erkenntnis gelangt als ich. Möge der Herr uns allen durch seinen Heiligen Geist ein aufmerksames Hinhören und gegenseitiges Verstehen schenken!